Barringtonia asiatica 2

Ästhetik und Ökonomie der Pflanzenillustration

European naturalists, portraitists and landscapists as well as naturalist draftspersons were commissioned with the documentation of colonial expeditions. The animal and plant illustrations on the Resolution were executed by G.F., while the British painter W.H. was responsible for illustrating the landscapes. The taxonomic classification of the specimen are attributed to J.R.F. and Swedish botanist A.S.

The illustrations present the essential characteristics of plants. In European botany, they are considered as a means of scientific documentation. They can also be read as documents of the mobile working conditions on board. After short shore leaves, immense collections of organic material had to be prepared and documented before they decayed and lost their natural form and colour. At the end of the 18th century, colour codes were used to further objectify the representations. Botanic illustrations, apart from being used in scientific publications, also promised an additional economic income to the naturalists. They increased the sales of travel reports and some works were sold to European courts for representative purposes.

Mit der Dokumentation der kolonialen Forschungsreisen wurden europäische Naturforscher, Porträt- und Landschaftmaler sowie naturkundliche Zeichner beauftragt. Die Tier- und Pflanzenillustrationen auf der Resolution übernahm G.F., während der britische Maler W.H. die Illustration der Landschaft verantwortete. Die taxonomischen Bestimmungen der Pflanzenfunde werden J.R.F. und dem schwedischen Botaniker A.S. zugeschrieben.

Die Illustrationen zeigen die wesentlichen Merkmale der Pflanzen und gelten in der europäischen Botanik als wissenschaftliche Dokumentationsmittel. Gleichzeitig zeugen sie von den mobilen Arbeitsbedingungen. Nach kurzen Landgängen mussten immense Sammlungen präpariert und dokumentiert werden, bevor das organische Material verweste und die natürliche Form und Farbe verlor. Farbcodes sollten Ende des 18. Jahrhunderts daher auch der Objektivierung der Bilder dienen. Neben fachwissenschaftlichen Publikationen versprachen Pflanzendarstellungen den Naturforschern zudem ökonomische Einnahmen. Sie steigerten den Verkauf von Reiseberichten und wurden als repräsentative Werke an die europäischen Höfe verkauft.

Leuchtkasten 3

Die botanischen Illustrationen dokumentieren nicht nur die Pflanzen, sondern auch in welchem Kontext und für welchen Zweck sie hergestellt wurden. Die provisorische Zeichnung entstammt G.F.s Skizzenbuch von der Resolution. Als Kupferstich ist sie 1775 / 76 in den Characteres, der botanischen Publikation zur Reise, abgedruckt. Das Skizzenbuch wurde 1798 aus Forsters Nachlass für die Forschungsbibliothek Gotha erworben. Skizze und Aquarell gehören zu dem Konvolut, das J.R.F. 1777 aus Geldnot an J.B. nach London verkaufte. Nach diesen Skizzen wurden 1778 die Kupferstiche für die deutschsprachige Ausgabe von G.F.s berühmter Reise um die Welt hergestellt. Der Bericht gilt als Meilenstein in der Entwicklung einer literarischen Gattung, der europäischen Reiseliteratur. Die Ausführung in Deckfarben diente hingegen der höfischen Repräsentation. G.F. verkaufte diese Werke 1780 an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha und Altenburg.

EN

Botanical illustrations document the plants and show the contexts and purposes they have been produced for. The provisional drawing originates from G.F.’s
Resolution sketchbook. An engraving of the sketch was included in the Characteres, the botanical publication on the voyage in 1775/76. The sketchbook was acquired for the Gotha Research Library from Forster’s estate in 1798. The sketch and the watercolour is part of his son’s work J.R.F., in need of money, sold to J.B. in London in 1777. The sketches were used to produce the copper plate engravings in the German edition of G.F.’s famous A Voyage Round the World published in 1778. The book is considered a milestone in the development of a literary genre, European travel literature. The opaque color version served another purpose, that of courtly representation. G.F. sold these works to Duke Ernst II of Saxe-Gotha and Altenburg in 1780. 

Georg Forster Barringtonia speciosa Bleistiftskizze aus dem Skizzenbuch 1773 Universität Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha Pencil sketch from the Sketchbook, 1773 Erfurt University, Gotha Research Library

Georg Forster Barringtonia speciosa Zeichnung / Drawing 1773–1775 Libraries © the Trustees of the Natural History Museum, London

Kupferstiche / Copper plate engravings aus Johann Reinhold Forster & Georg Forster Characteres generum plantarum, quas in itinere ad insulas maris Australis London, B. White, T. Cadell, & P. Elmsly, 1775 / 76

Aquarell-Illustration / Watercolour illustration 1772–1775 Libraries © the Trustees of the Natural History Museum, London

Kupferstiche / Copper plate engravings aus Johann Reinhold Forster & Georg Forster Characteres generum plantarum, quas in itinere ad insulas maris Australis London, B. White, T. Cadell, & P. Elmsly, 1775 / 76

Präsentationsblatt in Deckfarben, um 1780 Presentation sheet, opaque watercolour, c. 1780 Universität Erfurt, Forschungsbibliothek Gotha Erfurt University, Gotha Research Library

Vitrine 4

Die natürliche Verbreitung der Art erstreckt sich auf die Inseln ‚Melanesiens‘, ‚Mikronesiens‘ und Indonesiens, die Philippinen und Taiwan. Die Pflanze besiedelt strandnahe Gebiete in Mangrovenwäldern. In Salzwasser schwimmen ihre Früchte, verbreiten sich aber vorwiegend über die ozeanischen Inselgruppen. G.F. notierte, wie die polynesischen Bewohner:innen sie für den Fischfang nutzten. Wegen der schönen Blüten verbreiteten Europäer die Pflanze global über tropische und subtropische Gebiete. Seit dem 19. Jahrhundert wurden sie in kolonisierten Ländern als Nutzpflanzen kultiviert, die imperiale Alleen schmückten.

EN

The species’ natural dispersal covers the islands of Melanesia, Micronesia and Indonesia, the Philippines and Taiwan. The plant colonises in mangrove forests in areas close to the beaches. Even though its fruits are able to float in saltwater, they mainly spread across the oceanic archipelagos. G.F. recorded how Polynesian inhabitants used the fruit for fishing. The Europeans, impressed by their beautiful flowers, spread the plant widely across tropical and subtropical areas. Since the 19th century, it has been cultivated in colonised countries and decorated imperial avenues.

Getrocknete Frucht / Dried fruit Barringtonia asiatica (L.) Kurz Zentrale Kustodie, Georg-August-Universität Göttingen (GAUG) / Centre of Collection Development (GAUG)

Die Fruchtwand der Hudoo ist schwammartig ausgebildet. Sie schließt Luft im Gewebe ein. So können die Früchte auf der Wasseroberfläche treiben und sich verbreiten. Das ist ein Ergebnis evolutionärer Anpassung an die isolierte Insellage. Sogar nach vielen Monaten im Salzwasser bleiben die Früchte keimfähig.

EN

The pericarp of the hudoo is spongy. It traps air in its structure. This enables the fruits to float on the water surface and to spread. This is a result of evolutionary adaptation to its location on isolated islands. Having floated in saltwater for many months, the fruits are still able to germinate.

Geografische Karte mit Meeresströmungen
Geographical map showing ocean currents

Meeresströmungen transportieren die Früchte der Barringtonia über ihre Ursprungshabitate hinaus, teilweise über hunderte Kilometer. Die unterschiedlichen Strömungen in Südpazifik und Indischem Ozean beschränken die natürliche Verbreitung aber auf den ozeanischen Raum zwischen den pazifischen Inseln, Queensland über Indien bis Ostafrika und Madagaskar. 

EN

Ocean currents carry the fruits of Barringtonia beyond their original habitats, sometimes over distances of hundreds of kilometres. Yet, its natural distribution is limited to the oceanic region between the Pacific Islands, Queensland, India, East Africa and Madagascar due to the different currents in the South Pacific and Indian Oceans.

Makrozeichnungen / Macro drawings Pachyrhynchus jitanasaius und Larve / and larva Christoph Worringer, 2022

Der Lebensraum des Käfers ist auf die ostasiatische Insel Taiwan beschränkt. Diese Begrenzung hat er durch evolutionäre Anpassung erweitert: Die Käfer nutzen die schwimmenden Früchte, um seine Larven zu verbreiten. Die geografische Barriere der Insel und die beschränkte Mobilität überwindet der flügellose Käfer, um seine Lebensräume zu erweitern.

EN

This beetle’s habitat is limited to the East Asian island of Taiwan, but it extended it limitation by evolutionary adaptation: the beetles use the floating fruits to spread their larvae. The wingless beetle thus overcomes the island’s geographical barriers and its own limited mobility to expand its habitats.

Im Georg Forster Herbarium der Universität Göttingen lagern südpazifische Pflanzen, die bisher nur in der Botanik bekannt sind. Sie stammen aus James Cooks zweiter Weltumsegelung (1772—1775), an der Georg Forster (1754—1794) 17jährig als Zeichner teilnahm. Forster war nicht nur Reiseautor und Kulturanthropologe, sondern auch Naturforscher und Revolutionär. Seine botanischen Präparate, Zeichnungen und Publikationen folgen den Standards der Botanik, die im 18. Jahrhundert zur Wissenschaft wurde. Und sie verweisen auf das ‘indigene’ Wissen der polynesischen Gesellschaften, das dabei überschrieben wurde. 250 Jahre nach dem Aufbruch reflektiert die Ausstellung die Weltreisen im Kontext von europäischer Expansion, kolonialer Ausbeutung und hegemonialer Wissensproduktion. Und sie schlägt den Bogen zu den aktivistischen Protesten gegen die Expeditionsjubiläen 2019. 

Eine Ausstellung der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin FB 5 Kultur und Gestaltung Museumswissenschaften/Prof. Dr. Susan Kamel, kuratiert von Susanne Wernsing. Die Ausstellung ist das Ergebnis des Forschungsprojekts Sammeln erforschen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin in Kooperation mit der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen. Das Forschungsprojekt wurde von der VolkswagenStiftung gefördert.

Zu sehen war die Ausstellung vom 14.7.-14.10.2022 im Freiraum des Forum Wissen in Göttingen.
Vom 8.5.-20.6.2024 wird die Ausstellung in adaptierter Form in der Schule des Sehens der Universität Mainz präsentiert. https://www.ub.uni-mainz.de/de/TUMO

Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin
Projektleitung, HTW: Prof. Dr. Susan Kamel
Kuratorin der Ausstellung, HTW: Susanne Wernsing
Studentische Mitarbeiterin, HTW: Runa Hoffmann
Gestaltung und Produktion: Wolfgang Matzat Berlin
Grafik: arc, Berlin
Illustrationen: Christoph Worringer
Künstlerische Positionen: Kathy Jetnil-Kijiner, Sonya Schönberger, Khadija von Zinnenburg Carroll
Übersetzungen: Anke Mai, Franziska Füchsl
Lektorat: Evke Rulffes
Video-Untertitelung: Ulf Wrede creme-double Berlin
Intervention / Lesebereich: Moritz Baumeister, Johnny Ibraimo, Kieran Sattler, Johanna Strunge, Anna Louise Weßling von Göttingen postkolonial und Witzenhausen postkolonial.

Zentrale Kustodie der Universität Göttingen
Projektleitung: Dr. Marie Luisa Allemeyer
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Gudrun Bucher
Ausstellungsmanagement: Dr. Ramona Dölling
Restaurierung: Regina Klee, Cornelia Ripplinger, Winfried Feuerstein, Franziska Ries
Haus- und Medientechnik: Andreas Bresler, Christof Degenhard

Für die wissenschaftliche Begleitung des Forschungsprojekts danken wir: Prof. Dr. Demetrius Eudell, Dr. Martha Fleming, Dr. Dominik Hünniger

Die Ausstellung im Forum Wissen der Universität Göttingen wurde gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK).

Technische Betreuung:
Frank Dührkohp
Verbundzentrale des GBV (VZG)
Platz der Göttinger Sieben 1
37073 Göttingen
Tel.: +49(0)551/39-10405
E-Mail: frank.duehrkohp@gbv.de