Göttingen Postkolonial

Wer wirkt an der Produktion von Wissen mit und wer wird übergangen? Wer profitiert vom generierten Wissen? Und welches Wissen zeigt ein Museum? Viele (Museums-)Objekte, auf denen unser heutiges natur- und gesellschafts-wissenschaftliches Wissen beruht, wurden im Kontext kolonialer Expansion und Welt‘erkundung‘ auch in Göttingen gesammelt, kategorisiert und ausgestellt. So etwa die Objekte der Ausstellung „Tiny unpredictable material objects“. Die Vorstellung von der ‚neutralen‘ und ‚objektiven‘ Wissenschaft ist in unseren Augen überholt. Wir schauen stattdessen auf die Positionierung von Forschenden damals und heute, die Umstände der Forschungsreisen und hinterfragen die damit verbundenen Machtgefälle – immer im Versuch, den Blick auch für die eigene begrenzte Perspektive und unsere eigene Positionierung nicht zu verlieren. Wir, das sind eine Gruppe von Studierenden und Menschen mit akademischem Hintergrund, die sich im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus den Bereichen Kulturwissenschaften, Biodiversität, Agrarwissenschaften, Waldökologie, Geschichtswissenschaften und Museums Studies zusammensetzt. Uns verbindet ein ehrenamtliches Engagement in den Initiativen Göttingen postkolonial und Witzenhausen postkolonial, mit dem Ziel, koloniale Kontinuitäten sichtbar zu machen. Wir wollen den mehrheitlich weiß dominierten Wissenschafts- und Kulturbetrieb um diverse Perspektiven von Wissenschaftler_innen, Aktivist_innen und Menschen aus dem Globalen Süden erweitern.

„ Es gab da etwa dieses Expeditionsfahrzeug des Museum[s] [...] und nur daran vorbeizugehen vermittelte das Gefühl: Okay, da haben wir wieder dieses veraltete Bild von der kolonialen Entdeckungsreise. “

„ There was this museum expedition vehicle [...] and just walking past it gave the feeling: OK, here we go again with this outdated image of the colonial voyage of discovery. “

Hodan Warsame: Decolonize the Museum, in: Das Museum verlernen. (Free translation)

„ Was ich weiß, ist, dass ich dich liebe. Auch wenn du kein Interesse daran hast, verfolgt zu werden und dich nur verkleidet und maskiert zeigst. Ich bin nicht diejenige Person, die dich kennen oder benennen oder in irgendeiner Weise klassifizieren sollte. Und ich feiere dein Recht, mir aus- zuweichen und mich zu meiden.“

„What I know is that I love you. Even if you are not interested in being followed. Even if you show up in disguises. Even if I’m not the one who should know you or name you or classify you at all. And I celebrate your right to evade and avoid me.“

Alexis Pauline Gumbs: Undrowned: Black Feminist Lessons from Marine Mammals. (Freie Übersetzung)

Im Georg Forster Herbarium der Universität Göttingen lagern südpazifische Pflanzen, die bisher nur in der Botanik bekannt sind. Sie stammen aus James Cooks zweiter Weltumsegelung (1772—1775), an der Georg Forster (1754—1794) 17jährig als Zeichner teilnahm. Forster war nicht nur Reiseautor und Kulturanthropologe, sondern auch Naturforscher und Revolutionär. Seine botanischen Präparate, Zeichnungen und Publikationen folgen den Standards der Botanik, die im 18. Jahrhundert zur Wissenschaft wurde. Und sie verweisen auf das ‘indigene’ Wissen der polynesischen Gesellschaften, das dabei überschrieben wurde. 250 Jahre nach dem Aufbruch reflektiert die Ausstellung die Weltreisen im Kontext von europäischer Expansion, kolonialer Ausbeutung und hegemonialer Wissensproduktion. Und sie schlägt den Bogen zu den aktivistischen Protesten gegen die Expeditionsjubiläen 2019. 

Eine Ausstellung der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin FB 5 Kultur und Gestaltung Museumswissenschaften/Prof. Dr. Susan Kamel, kuratiert von Susanne Wernsing. Die Ausstellung ist das Ergebnis des Forschungsprojekts Sammeln erforschen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin in Kooperation mit der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen. Das Forschungsprojekt wurde von der VolkswagenStiftung gefördert.

Zu sehen war die Ausstellung vom 14.7.-14.10.2022 im Freiraum des Forum Wissen in Göttingen.
Vom 8.5.-20.6.2024 wird die Ausstellung in adaptierter Form in der Schule des Sehens der Universität Mainz präsentiert. https://www.ub.uni-mainz.de/de/TUMO

Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin
Projektleitung, HTW: Prof. Dr. Susan Kamel
Kuratorin der Ausstellung, HTW: Susanne Wernsing
Studentische Mitarbeiterin, HTW: Runa Hoffmann
Gestaltung und Produktion: Wolfgang Matzat Berlin
Grafik: arc, Berlin
Illustrationen: Christoph Worringer
Künstlerische Positionen: Kathy Jetnil-Kijiner, Sonya Schönberger, Khadija von Zinnenburg Carroll
Übersetzungen: Anke Mai, Franziska Füchsl
Lektorat: Evke Rulffes
Video-Untertitelung: Ulf Wrede creme-double Berlin
Intervention / Lesebereich: Moritz Baumeister, Johnny Ibraimo, Kieran Sattler, Johanna Strunge, Anna Louise Weßling von Göttingen postkolonial und Witzenhausen postkolonial.

Zentrale Kustodie der Universität Göttingen
Projektleitung: Dr. Marie Luisa Allemeyer
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Gudrun Bucher
Ausstellungsmanagement: Dr. Ramona Dölling
Restaurierung: Regina Klee, Cornelia Ripplinger, Winfried Feuerstein, Franziska Ries
Haus- und Medientechnik: Andreas Bresler, Christof Degenhard

Für die wissenschaftliche Begleitung des Forschungsprojekts danken wir: Prof. Dr. Demetrius Eudell, Dr. Martha Fleming, Dr. Dominik Hünniger

Die Ausstellung im Forum Wissen der Universität Göttingen wurde gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK).

Technische Betreuung:
Frank Dührkohp
Verbundzentrale des GBV (VZG)
Platz der Göttinger Sieben 1
37073 Göttingen
Tel.: +49(0)551/39-10405
E-Mail: frank.duehrkohp@gbv.de