Tupaia antarctica

The expeditions and the so called European discoveries would not have been possible without the knowledge of and exchange with ‚indigenous‘ actors. Their achievements ranged from navigational, geographic and regional expertise, linguistic and social mediation to guidance and information on the identification, distribution areas and local uses of plants. It was activist pressure for the decolonisation of collections that today has forced the exploration of the marginalised knowledge and a revision of the knowledge history of the European Enlightenment. Tupaia (c. 1725–1770) more than other South Pacific travelling intermediaries like Omai, Maheine or Kadu has since been focused on in this context. He was a high-ranking arioi priest and member of the Tahitian elite, and an excellent navigator. He came from the island of Raiatea, the religious centre of the ‚Society Islands‘, which he charted in the summer of 1769.

‚Indigenous‘ plant names were recorded by European naturalists in shipboard diaries and on drawings, but they were not included in the nomenclature of the herbaria and thus remained invisible therein. The renaming of Tupeia antarctica in the early 19th century honoured the famous intermediary who died on the Endeavour voyage in 1770.

Ohne das Wissen und den Austausch mit ‚indigenen‘ Akteur:innen, wären die Forschungsreisen und sogenannten europäischen Entdeckungen unmöglich gewesen. Deren Leistungen erstreckten sich von navigatorischen, geografischen und landeskundlichen Expertisen, sprachlicher und sozialer Vermittlungsarbeit bis zu Hinweisen auf die Identifizierung, Verbreitungsgebiete und lokalen Nutzungen von Pflanzen. Erst der aktivistische Druck auf die Dekolonialisierung von Sammlungen hat heute die Erforschung des marginalisierten Wissens und eine Revision der Wissensgeschichte der europäischen Aufklärung erzwungen. Mehr als andere südpazifische Reisebegleiter und Informanten wie Omai, Maheine und Kadu wurde dabei Tupaia (um 1725–1770) in den Blick genommen. Er war ein hochrangiger Arioi Priester, Mitglied der tahitianischen Aristokratie und exzellenter Navigator. Er stammte von der Insel Raiatea, dem religiösen Zentrum der ‚Gesellschaftsinseln‘, die er im Sommer 1769 geografisch verzeichnete.

‚Indigene‘ Pflanzennamen notierten die europäischen Naturkundler zwar in Bordtagebüchern und auf Zeichnungen, in die Nomenklatur der Herbarien wurden sie nicht übernommen und blieben unsichtbar. Mit der Umbenennung der Tupeia antarctica wurde im frühen 19. Jahrhundert der berühmte Vermittler und Begleiter geehrt, der 1770 auf der Endeavour-Reise starb.

Viscum antarcticum

Herbarblatt / Herbarium sheet, Type Viscum antarcticum G.Forst. [Tupeia antarctica (G.Forst.) Cham. & Schltdl.] Sammler / Collector: Georg Forster, „Neu Seeland 1773“ Herbarium (GOET), Georg-August-Universität Göttingen, Department of Systematic Botany

Auf die Erstbeschreibung und Einordnung in eine bereits bekannte Gattung folgte die Umbenennung und eigene Gattung durch die Teilnehmer späterer kolonialer Forschungsreisen A.C. und D.S. Damit ehrten sie bereits 1826 die Leistungen des polynesischen Navigators Tupaia. A.C. kritisierte mehrfach die Auswirkungen imperialer Gewalt und kolonialer Ausbeutung.

EN

The first description and classification in a genus already known was followed by the renaming and re- classification as a genus of its own by the participants of later colonial expeditions, A.C. and D.S. The achievements of the Polynesian navigator Tupaia were thus honoured as early as 1826. A.C. repeatedly criticised the effects of imperial violence and colonial exploitation.

Tupaia

Tupaia Handskizzierte Karte von den ‚Gesellschaftsinseln‘ / Hand sketched Chart of the ‚Society Islands‘ Kopie im Brief von Georg Forster / Copy in Georg Foster’s letter, 1776 Stadtarchiv Braunschweig / Braunschweig City Archive

Tupaias Karte leitete die Endeavour durch die polynesischen Inseln. Sie liegt heute nur noch in Kopien vor, so auch im Brief von G.F. an seinen Verleger nach der Rückkehr der Resolution. Von den 130 ihm bekannten polynesischen Inseln zwischen Samoa und Rapa Nui, den ‚Gesellschaftsinseln‘ und Hawai’i verzeichnete Tupaia in der ersten Version 74. Sie deckt einen Radius von mehreren tausend Kilometern ab und kombiniert verschiedene Wayfinder Systeme, die sich an Sternen, Meeresströmungen und mündlichen Traditionen orientieren. Darin werden die Reisenden gedanklich fixiert, während die Umwelt der Inseln als beweglich gedacht sind.

EN

Tupaia’s Chart guided the Endeavour through the Polynesian Islands. Today it is only available in copies, as in the letter from G.F. to his publisher after the return of the Resolution. Tupaia’s first version recorded 74 of 130 Polynesian islands between Samoa and Rapa Nui, the Society Islands and Hawai’i. Covering a radius of several thousand kilometers the chart combined various wayfinder systems based on stars, ocean currents and oral traditions. The systems represent mental maps that fixed the travelers while the environment of the islands were thought to be mobile.

Tupaia Karikatur zum ‚Tausch‘ eines Lobsters gegen den Nagel eines Schiffsoffiziers, 1769 / Cartoon: ‘Trading‘ a lobster for a ship officer’s nail, 1769 Aquarellierte Zeichnung / Pencil sketch watercoloured The British Library, London

Tupaias Zeichnungen galten in den Londoner Archiven lange als anonym und wurden ihm erst im vergangenen Jahrzehnt zugeschrieben. Sein Talent zur Karikatur hatte bereits J.B. beschrieben, dessen Lob war 1812 aber durch rassistische Bewertungen der ‚indigenen‘ Wissensproduktion vergiftet. Über die dargestellte Begegnung und den Tausch der Gegenstände vermerkte J.B., es habe sich um einen Verkauf gehandelt.

EN

Tupaia’s drawings were long considered anonymous in the London archives and attributed to him only in the past decade. His talent for caricature had already been described by J.B., whose praise however was poisoned by the racist assessments of ‚indigenous‘ knowledge production in 1812. In his notes, J.B. qualified the encounter and the exchange of objects depicted here as a sale.

Im Georg Forster Herbarium der Universität Göttingen lagern südpazifische Pflanzen, die bisher nur in der Botanik bekannt sind. Sie stammen aus James Cooks zweiter Weltumsegelung (1772—1775), an der Georg Forster (1754—1794) 17jährig als Zeichner teilnahm. Forster war nicht nur Reiseautor und Kulturanthropologe, sondern auch Naturforscher und Revolutionär. Seine botanischen Präparate, Zeichnungen und Publikationen folgen den Standards der Botanik, die im 18. Jahrhundert zur Wissenschaft wurde. Und sie verweisen auf das ‘indigene’ Wissen der polynesischen Gesellschaften, das dabei überschrieben wurde. 250 Jahre nach dem Aufbruch reflektiert die Ausstellung die Weltreisen im Kontext von europäischer Expansion, kolonialer Ausbeutung und hegemonialer Wissensproduktion. Und sie schlägt den Bogen zu den aktivistischen Protesten gegen die Expeditionsjubiläen 2019. 

Eine Ausstellung der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin FB 5 Kultur und Gestaltung Museumswissenschaften/Prof. Dr. Susan Kamel, kuratiert von Susanne Wernsing. Die Ausstellung ist das Ergebnis des Forschungsprojekts Sammeln erforschen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin in Kooperation mit der Zentralen Kustodie der Universität Göttingen. Das Forschungsprojekt wurde von der VolkswagenStiftung gefördert.

Zu sehen war die Ausstellung vom 14.7.-14.10.2022 im Freiraum des Forum Wissen in Göttingen.
Vom 8.5.-20.6.2024 wird die Ausstellung in adaptierter Form in der Schule des Sehens der Universität Mainz präsentiert. https://www.ub.uni-mainz.de/de/TUMO

Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin
Projektleitung, HTW: Prof. Dr. Susan Kamel
Kuratorin der Ausstellung, HTW: Susanne Wernsing
Studentische Mitarbeiterin, HTW: Runa Hoffmann
Gestaltung und Produktion: Wolfgang Matzat Berlin
Grafik: arc, Berlin
Illustrationen: Christoph Worringer
Künstlerische Positionen: Kathy Jetnil-Kijiner, Sonya Schönberger, Khadija von Zinnenburg Carroll
Übersetzungen: Anke Mai, Franziska Füchsl
Lektorat: Evke Rulffes
Video-Untertitelung: Ulf Wrede creme-double Berlin
Intervention / Lesebereich: Moritz Baumeister, Johnny Ibraimo, Kieran Sattler, Johanna Strunge, Anna Louise Weßling von Göttingen postkolonial und Witzenhausen postkolonial.

Zentrale Kustodie der Universität Göttingen
Projektleitung: Dr. Marie Luisa Allemeyer
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Gudrun Bucher
Ausstellungsmanagement: Dr. Ramona Dölling
Restaurierung: Regina Klee, Cornelia Ripplinger, Winfried Feuerstein, Franziska Ries
Haus- und Medientechnik: Andreas Bresler, Christof Degenhard

Für die wissenschaftliche Begleitung des Forschungsprojekts danken wir: Prof. Dr. Demetrius Eudell, Dr. Martha Fleming, Dr. Dominik Hünniger

Die Ausstellung im Forum Wissen der Universität Göttingen wurde gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK).

Technische Betreuung:
Frank Dührkohp
Verbundzentrale des GBV (VZG)
Platz der Göttinger Sieben 1
37073 Göttingen
Tel.: +49(0)551/39-10405
E-Mail: frank.duehrkohp@gbv.de